Das Was, Warum und Wie der Zielsetzung
Ziele setzen wie ein Profi: Was die Sportpsychologie über Zielsetzung verrät
Ziele setzen klingt erstmal simpel, oder? Du willst schneller laufen, präziser passen oder stärker abschliessen – also einfach loslegen?
Nicht ganz. Denn aus Sicht der Sportpsychologie ist erfolgreiches Zielsetzung ein strukturierter Prozess – nicht bloss ein guter Vorsatz.
In einer umfassenden Übersichtsarbeit haben Matthew D. Bird, Christian Swann und Patricia C. Jackman (2021) untersucht, was, warum und wie Ziele in der Sportpsychologie angewandt werden.
Aufbau der Studie: Drei zentrale Fragen
Die Forscher:innen strukturieren ihre Arbeit entlang von drei Schlüsselfragen:
Was bedeutet Zielsetzung im angewandten sportpsychologischen Coaching wirklich?
Was verspricht man sich davon?
Wie wird der Prozess des Zielsetzens tatsächlich umgesetzt?
1. Was ist Zielsetzung?
Ziele sind mehr als Endpunkte. Sie sind Prozesse, die Handlungen strukturieren, Fokus erzeugen und Motivation steuern.
Klassische Modelle wie SMART (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) sind hilfreich, aber in der Praxis nicht ausreichend.
Die Studie betont:
Ziele müssen dynamisch sein.
Ziele sind individuell.
Ziele entwickeln sich mit dem Athleten mit.
Nicht jede:r Sportler:in braucht dasselbe Zielsetting. Nicht jedes Ziel bleibt gleich. Anpassungsfähigkeit ist zentral.
2. Was verspricht man sich davon?
Die Forschung identifiziert klare Funktionen von Zielarbeit:
Fokus und Aufmerksamkeit steuern
(Was ist heute wirklich wichtig?)Selbstvertrauen aufbauen
(Jede Zielerreichung stärkt die eigene Überzeugung.)Motivation und Antrieb fördern
(Vor allem in Phasen von Rückschlägen.)Kontrolle und Struktur bieten
(Gerade in stressigen Wettkampfsituationen.)
Das Ziel ist nicht nur eine Vorgabe.
Es wird zum psychologischen Werkzeug.
3. Wie läuft der Zielsetzungs-Prozess konkret ab?
Hier bringt die Studie echten Mehrwert: Sie beschreibt den Prozess in vier aufeinander aufbauenden Phasen:
1. Vorbereitung
Analyse der aktuellen Situation (Stärken, Schwächen, Umfeld).
Motivation klären: Warum will ich dieses Ziel?
Einbezug von Athlet:in und Coach in den Entscheidungsprozess.
2. Zieldefinition
Klar formulierte, erreichbare, aber herausfordernde Ziele.
Mischung aus Leistungszielen (z.B. Schussgeschwindigkeit erhöhen) und Prozesszielen (z.B. Technikschritte verbessern).
3. Planung und Umsetzung
Konkrete Schritte entwickeln.
Zwischenziele setzen.
Strategien für Hindernisse definieren.
4. Monitoring, Reflexion und Anpassung
Laufende Überprüfung: Komme ich meinem Ziel näher?
Flexible Anpassung der Ziele bei neuen Erkenntnissen.
Fokus auf Lernen, nicht nur auf Resultate.
Wichtig: Zielarbeit endet nie mit der Zielsetzung. Sie ist ein kontinuierlicher Kreislauf.
Praktische Tipps aus der Studie
Individualisiere: Kein Athlet ist wie der andere. Auch nicht beim Ziele setzen.
Kombiniere Zieltypen: Ergebnisziele (z.B. Pokalgewinn) + Prozessziele (z.B. besserer Fokus im Training).
Mach Erfolge sichtbar: Zwischenetappen bewusst feiern, um Motivation hochzuhalten.
Lerne flexibel zu bleiben: Starre Ziele können bremsen. Anpassungsfähigkeit ist ein Zeichen mentaler Stärke.
Mein Fazit:
Die Studie bietet eine fundierte, praxisnahe Übersicht über den Zielsetzungsprozess im Sport. Besonders wertvoll ist, dass sie den dynamischen und individuellen Charakter von Zielsetzung betont – weit über klassische Modelle wie SMART hinaus. Eine klare Empfehlung für alle, die Ziele nicht nur setzen, sondern wirklich wirksam gestalten wollen.
Quelle:
Bird, M. D., Swann, C., & Jackman, P. C. (2021). The what, why, and how of goal setting: A review of the goal-setting process in applied sport psychology practice. Journal of Applied Sport Psychology, 34(6), 1152–1175. https://doi.org/10.1080/10413200.2021.1964107
Dieser Beitrag ist Artikel Nr. 2 der Blogreihe MentALLab, in der ich regelmässig wissenschaftliche Studien aus Sportpsychologie und Coaching aufarbeite.
Mein Ziel: komplexe Erkenntnisse verständlich machen – und Impulse für die Praxis geben.
Willkommen im MentALLab - hier beginnt das Spiel vor dem Anpfiff.