Fokus, dann wenn’s zählt: Wie du deine Aufmerksamkeit im Spiel gezielt steuerst.

„Konzentration!“ – ein Wort, das du wahrscheinlich schon tausendmal gehört hast.
Im Training. Im Spiel. Am Spielfeldrand.
Aber: Was heisst das eigentlich konkret? Wie schaffst du es, genau dann voll da zu sein, wenn es zählt – und wie trainierst du das?

In diesem Beitrag geht es ausschliesslich um Konzentration – und darum, wie du sie verstehst und gezielt verbesserst.
Ich befasse mich nachfolgend mit zwei ausgewählten wissenschaftlichen Arbeiten, die dir zeigen, dass Konzentration kein Glück und keine Veranlagung ist – sondern eine Fähigkeit, die du trainieren kannst. Schritt für Schritt.

Was ist Konzentration?

Konzentration bedeutet, dass du deine Aufmerksamkeit gezielt auf das Wesentliche richtest – und gleichzeitig Unwichtiges ausblendest.
Im Fussball kann das z. B. bedeuten:

  • Den Laufweg deiner Mitspielerin erkennen

  • Den Moment des Passes perfekt antizipieren

  • Den Druck von aussen (Fans, Fehler, Gedanken) ignorieren

Aber: Konzentration passiert nicht automatisch – vor allem nicht unter Druck. Genau deshalb lohnt es sich, sie gezielt zu trainieren.

Drei zentrale Fähigkeiten, die deinen Fokus stärken

1. Selektive Aufmerksamkeit – Was du brauchst, und was dich stört

Im Spiel bist du von Eindrücken umgeben: Geräusche, Gegner, Mitspieler:innen, Gedanken.
Du musst entscheiden: Was ist jetzt relevant – und was kann ich ausblenden?

Studien zeigen: Erfahrene Spieler:innen erkennen schneller, worauf es in einer Szene ankommt. Sie schauen z. B. beim Dribbling nicht auf den Ball, sondern auf die Hüften der Gegner – weil genau dort erkennbar wird, wohin die Bewegung geht.

Wie du das trainieren kannst:

  • Erstelle gemeinsam mit deinen Trainer:innen sogenannte Cue-Listen: Welche Signale brauchst du in bestimmten Spielsituationen? Welche lenken dich ab?

  • Nutze Videoanalysen, um zu erkennen, wohin du zuerst schaust

  • Stell dir Spielszenen in Zeitlupe vor und versuche, bewusst einzelne Reize auszublenden

Je klarer du deine „Aufmerksamkeitslandkarte“ kennst, desto weniger wirst du abgelenkt.

2. Dein persönlicher Aufmerksamkeitsstil

Der Sportpsychologe Robert Nideffer hat in den 1970er-Jahren ein Modell entwickelt, das beschreibt, wie Athlet:innen ihre Aufmerksamkeit ausrichten.
Er unterscheidet zwei Ebenen:

  • Intern vs. extern
    → Fokus auf das eigene Erleben (z. B. Atmung, Technik) oder auf das Aussen (z. B. Gegenspieler:in, Ball)

  • Eng vs. breit
    → Entweder sehr gezielt auf einen Punkt gerichtet oder umfassend auf das ganze Spielgeschehen

Daraus ergeben sich vier typische Fokusstile:

  1. Breit-extern: Überblick über das Spielfeld, Einschätzen der Gesamtsituation

  2. Eng-extern: Konzentration auf einen Punkt (z. B. Ball, freier Raum)

  3. Breit-intern: Nachdenken über Strategie, Verarbeiten von Spielverläufen

  4. Eng-intern: Fokussierung auf Körper, Technik, Atmung

Jede:r Athlet:in hat einen bevorzugten Stil – wichtig ist aber, dass du lernst, flexibel zu wechseln, je nach Situation.

So arbeitest du daran:

  • Beobachte dich: Woran denkst du in stressigen Momenten? Bist du zu sehr „im Kopf“ – oder zu sehr bei den Zuschauern?

  • Reflektiere mit deinen Trainer:innen: In welcher Spielsituation brauchst du welchen Fokus?

  • Übe, deine Aufmerksamkeit aktiv zu lenken – z. B. mit bestimmten Schlagwörtern oder kurzen Ritualen (Atmen, Schlüsselwort, Blickwechsel)

3. Aufmerksamkeitswechsel – der Fokus-Move im Spiel

Spielverläufe ändern sich schnell – und dein Fokus muss mitgehen.
Wenn du nach einem Fehler in Gedanken festhängst („Wie konnte ich den Ball verlieren?“), bist du beim nächsten Spielzug oft zu spät.

Studien zeigen: Wer bewusst zwischen innerem (Körper, Gedanken) und äusserem Fokus (Ball, Mitspieler:innen, Gegner) wechseln kann, reagiert schneller, sicherer und flexibler.

So trainierst du das konkret:

  • Wechsle deinen Fokus in Übungen: Erst auf deinen Atem – dann plötzlich auf einen Punkt im Raum

  • Visualisiere Spielsituationen: Stell dir vor, du verlierst den Ball. Wie holst du den Fokus zurück?

  • Entwickle persönliche Strategien mit deinem Coaching-Team: z. B. ein bestimmtes Wort, eine Bewegung oder ein kurzer Blickfokus, um wieder klar zu sehen

Fazit für dich als Athlet:in

Konzentration ist trainierbar!
Sie ist nicht abhängig von deiner Tagesform, sondern von deinem mentalen Werkzeugkasten.

Je besser du dich kennst – deine Reize, deine Ablenkungen, deinen Fokus-Stil – desto stabiler wirst du in engen Spielsituationen. Diesen Prozess kannst du selbst angehen oder aber ihn z.B. in einem mentalen Coaching mit professioneller Hilfe in aller Ausführlichkeit begehen.
Und genau so wirst du immer und korrekt fokussiert sein können.

Literatur

Farina, M. & Cei, A. (2019). Concentration and Self-Talk in Football. In: Football Psychology – From Theory to Practice. Routledge.

Monsma, E., Perreault, M., & Doan, R. (2017). Focus! Keys to Developing Concentration Skills in Open-skill Sports. Journal of Physical Education, Recreation & Dance, 88(7), 51–55.

 

Dieser Beitrag ist Artikel Nr. 4 der Blogreihe MentALLab, in der ich regelmässig wissenschaftliche Studien aus Sportpsychologie und Coaching aufarbeite.
Mein Ziel: komplexe Erkenntnisse verständlich machen – und Impulse für die Praxis geben.

Willkommen im MentALLab - hier beginnt das Spiel vor dem Anpfiff.

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